Kritik am dersperling Artikel „Proletarischer Feminismus statt Queerfeminismus“

„Ich beharre fest darauf, dass jemand der keine Untersuchung anstellt auch kein Mitspracherecht haben kann“ – Mao Zedong

Vor kurzer Zeit wurde auf dem Blog „dersperling“ der Artikel „Proletarischer Feminismus statt Queerfeminismus“ veröffentlicht und eine Leseempfehlung für diesen von @alsklasse auf Instagram geteilt. Der Artikel verbreitet offen extrem transfeindliche Ansichten, die mit unmaterialistischen und unwissenschaftlichen Argumenten und Theorien begründet wurde.

Da ein offener Bezug dieser Positionen zur Roten Jugend Bewegung gegeben ist, erachten wir es als Teil dieser für notwendig öffentlich darauf zu antworten. Wir können an der Stelle nicht auf alle Punkte, die wir für falsch erachten eingehen, versuchen aber unseren Standpunkt insgesamt darzustellen und vor allem die politischen Schlussfolgerungen zu beachten.

Als besonders schwerwiegende Abweichung vom Marxismus und ausschlaggebend für die transfeindlichen Schlussfolgerungen erkennen wir den biologistischen Ansatz auf das Geschlecht. Im Teil zur Frauenunterdrückung im Kapitalismus wird festgestellt, dass diese aus der patriarchalen Arbeitsteilung und nicht aus der individuellen Fähigkeit, Kinder zu gebären, entspringt. Dadurch wird durchaus eine Kategorie des sozialen Geschlechts impliziert. Auf dieser Grundlage werden dann ebenfalls geschlechtsbezogene moralische Erwartungen (Geschlechterrollen) an die Menschen gestellt. Doch anstelle diese Erkenntnisse der in der ökonomischen Basis sozial konstruierten Geschlechterrollen materialistisch auf trans Identitäten anzuwenden, fällt man aus der Zurückweisung einer in der „Seele“ des Menschen postulierenden Geschlechtsidentität (trotz vorheriger gegenteiliger Darstellung) in biologischen Determinismus zurück und spricht trans und nicht-binären Personen ihre Identität ab.

„Dieses Gefühl [der Geschlechteridentität] für die Wirklichkeit zu halten, für etwas Objektives zu halten, das wichtiger ist als das wahrhaft Objektive, das Materielle, das Körperliche, ist subjektivistischer Idealismus“ – (dersperling S.21, Z.9 ff.)

Dass ausschließlich das Körperliche materiell sei, ist blanker Vulgärmarxismus*. Es wird vollkommen außer Acht gelassen, dass alle Dinge in Wechselwirkung zueinander stehen. So entspringt zwar das Bewusstsein aus dem Sein, jedoch beeinflusst das Bewusstsein auch das Sein. Es liegt zudem ein falsches Verständnis von Materie vor. Materie ist nicht nur alles, was wir greifen können, sondern alles, was wir beobachten, messen und erklären können. Selbst wenn wir uns rein auf biologisch messbare Faktoren beziehen, lässt sich nicht von einer eindeutigen Binarität des Geschlechts sprechen. Hier muss angemerkt werden, dass die Biologie immer wieder zur Duchsetzung der Vorstellung von Geschlecht instrumentalisiert wurde, die Forschung in diesem Feld noch lückenhaft ist und diese durch Verfolgung und Pathologisierung immer wieder erschwert wird. Als Beispiel wäre hier das Hirschfeld Institut in Berlin zu nennen, welches 1933 durch die Nationalsozialisten angegriffen wurde und jegliche Dokumente und Forschungsergebnisse vernichtet wurden. Zu behaupten, dass Geschlechtlichkeit außerhalb der Binarität und Abweichungen von den Vorstellungen zu Geschlecht, wie z.B. Transgeschlechtlichkeit, ein neues Phänomen wäre, ist historisch nicht haltbar und damit unmarxistisch. Bei einer materiellen Betrachtung der Menschheitsgeschichte lässt sich mit vernünftiger Recherche erkennen, dass dieses Phänomen in unterschiedlichen Epochen und Gesellschaften existierte und teilweise auch akzeptiert war.

Zudem wird ignoriert, dass binäre trans Personen im alltäglichen Lebe oft die Rolle ihres Identifikationsgeschlechts einnehmen und dementsprechend auch so behandelt werden und jeder Versuch ausgehend vom Erscheinungsbild einer Person herauszufinden, ob sie trans ist oder nicht, notwendigerweise scheitern muss und in der Konsequenz patriarchale Erwartungen an v.a. weiblichem Körpern verschärft.

Neben diesem Grundfehler entpuppt sich der psychologische und medizinische Teil als schlecht recherchiert. Bei der Auflistung der Kriterien für die Diagnose von Geschlechtsdysphorie wird das notwendige Kriterium des vorhandenen (oder antizipierten) klinischen Leidensdruck ausgelassen und später dieser als natürlich zu jeder Krankheit gehörend bezeichnet. Dass es trans-identifizierende Menschen gibt, die keinen Leidensdruck entwickeln und dieser auch unabhängig von der Akzeptanz des Umfelds und dem Einfluss der Geschlechterrollen ist und medizinische Maßnahmen diese Lindern können, wird ignoriert.

Ebenso werden in dem Abschnitt zu den Nebenwirkungen von körpermodifizierenden medizinischen Maßnahmen Aussagen, die medizinisch nicht haltbar sind, getätigt. Um das herauszufinden, hätte ein kurzer Blick in die einschlägigen Behandlungslinien gereicht.

Die Überwiegend einzige Quelle ist Helen Joyces Buch „Trans: When Ideology Meets Reality“ in dem sie gegen eine angebliche ‚Gender Ideologie‘ schwurbelt und Nähe zu Reaktionären wie Jordan Peterson zeigt. Fakt ist, dass trans Personen im Widerspruch zu den Bürgerlichen Vorstellungen von Geschlecht stehen und deswegen auch Unterdrückt werden. Es verwundert deshalb auch nicht, dass trans Personen tendenziell eher die bürgerliche Gesellschaft als Ganzes in Frage stellen. Aber anstatt dies anzuerkennen und die Frage zu stellen, wie man aus diesem Wiederspruch revolutionäres Potential schaffen und diese Menschen agitieren kann, wird den reaktionären Teilen der Klasse nachgetrabt und Peterson sowie andere reaktionäre Persönlichkeiten als Verteidiger der Vernunft und des Materialismus bezeichnet. Sich rechter Rhetorik, wie Pathologisierung und dem Kulturkampf um Queerness anzuschießen stellt einen Verrat des revolutionären Kampfes dar. Als Kommunist:innen sollten wir den Massen voranschreiten und ihnen nicht hinterher rennen.

In diesem Sinne wird sich auch nicht mit den Positionen maoistischer Parteien wie der Kommunistischen Partei der Phillippinien oder der CPI(Maoist) auseinandergesetzt, die sich für die Anerkennung von Trans Personen aussprechen und sie in den (bewaffneten) revolutionären Kampf integrieren.

Weiter stellt sich die Frage, welches Signal die Veröffentlichung dieses Textes inmitten einer Kampagne der Roten Jugend Bewegung gegen den Regenbogenkapitalismus gegenüber queeren Menschen senden soll. Namentlich die pseudowissenschaftlichen Theorien, welche die Ursache von Tranidentifizierung erklären sollen, vermitteln das Bild, dass transfeminine Personen einfach nur internalisiert homophob und pervers seinen und transmaskuline Personen individuell dem Patriarchat entweichen wollen.

Tatsache ist, dass entgegen der Darstellungen im „sperling“ trans und nicht-binäre Menschen mehrheitlich der Arbeiter:innenklasse angehören und wir sie dementsprechend für unseren Kampf gewinnen müssen. Bisher schafft es die Rote Jugend Bewegung nicht dieser Aufgabe der Mobilisierung der Arbeiter:innenklasse gerecht zu werden. Trans Personen sind besonders stark von Armut betroffen, so sind trans und nicht-binäre Personen signifikant häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen, als cis-geschlechtliche Personen und sehr häufig in die Prostitution gezwungen. Global wurden zwischen 24% und 75% aller trans Frauen bereits in Laufe ihres Lebens prostituiert.

Aufgrund dieser prekären Lebensverhältnisse ist es mehr als unverständlich und absurd, warum Menschen auf die Idee kommen sollten, sich aus purem Individualismus oder Geltungsdrang heraus dieser Lebensrealität auszusetzen.

Der Inhalt des Artikels vom „sperling“ steht in einem antagonistischen Wiederspruch zu unserem Verständnis von patriarchaler Unterdrückung, sowie dem Kampf um die Befreiung aller Geschlechter. Diesen Kampf gegen reaktionäre Ideologien müssen wir nach außen, als auch innerhalb unserer Bewegung führen.